Wer ist heute "lutherisch"?

Wer versteht und bezeichnet sich heute als

"evangelisch - lutherisch"

oder als „Lutheraner“?

In den Medien und der Öffentlichkeit wird der Unterschied der Konfessionen heute kaum noch, oder nur noch an bestimmten Äußerlichkeiten, wahrgenommen. Im Gegenüber zu andersreligiösen, wie z.B. zu Muslimen, oder zu unreligiösen Menschen mag dies eine gewisse Berechtigung haben, aber andererseits spricht es auch für eine große Gleichgültigkeit und Verflachung in den Fragen nach Gott und dem Verständnis seines Wortes.

 

Bestenfalls wird noch zwischen „katholisch“ und „evangelisch“ unterschieden. Die „Katholiken“ haben Rom, den Papst und nur Männer als Priester, die im Zölibat leben müssen. Strenge konservative Glaubenssätze und ethische Maßstäbe werden zentral vom Papst und dem Vatikan vorgegeben. Daran reiben sich Medien und Öffentlichkeit. Dagegen erscheinen die „Evangelischen“ in den Fragen des Glaubens, der Frömmigkeit und der Ethik liberaler und pluralistischer. Sie haben viele Pfarrerinnen und Bischöfinnen, auch geschiedene und wiederverheiratete. Man konzentriert sich auf diakonische sowie sozial- und umweltpolitische Fragen und ist von daher politisch eher dem linken und grünen Spektrum zugetan. Die Kirche wird zunehmend als gesellschafts- und sozialpolitische Ergänzung des Staates und immer weniger als Glaubensvermittlerin gesehen. Das hat sie zum Teil selbst gefördert und verursacht. Aber kommt die Kirche damit noch ihrem ersten und eigentlichen Auftrag, dem Missionsauftrag Jesu Christi, nach?

 

Der Öffentlichkeit erscheint nur noch die grobe Unterscheidung „katholisch“ = „traditionell-konservativer“ und „evangelisch“ = „liberal-fortschrittlicher“ von Bedeutung, wobei diese Gleichsetzungen ja so nicht durchgängig stimmen. Aus Unwissenheit, Gleichgültikeit und einem Gefühl der Harmonie will man nicht zur Kenntnis nehmen, dass die Konfessionskirchen in grundlegenden Fragen des Glaubens Unterschiedliches bis Gegensätzliches verkündigen. Theologische Fragen, die die eigentlichen Gründe für die unterschiedlichen Konfessionen sind, rücken mehr und mehr in den Hintergrund. Und da erscheint es dann auch unverständlich und überflüssig, dem „evangelisch“ noch als weiteres Merkmal ein „lutherisch“ anzuhängen. Da fragt die Öffentlichkeit verständnislos, was soll das?

 

Ja, wer bezeichnet sich heute als „evangelisch-lutherisch“ und aus welchen Gründen? Um ein Missverständnis vorweg zu nehmen, es geht nicht um eine Verherrlichung der Person Martin Luthers, sondern um die bahnbrechende Theologie Luthers und seiner Mitreformatoren, wie sie im Konkordienbuch von 1580 dargestellt ist.

 

Die Bezeichnung „die Lutherischen“ wurde zuerst von den verbliebenen Anhängern der römischen Papstkirche als Schimpfwort gegen die Reformation gebraucht. Sie wollten damit sagen, dass sie es mit einer spalterischen Anhängerschaft Luthers zu tun haben und nicht mit einem Prozess der Reformation, der die ganze Kirche betrifft. Luther hat gegen die auf seine Person bezogene Bezeichnung vergeblich protestiert, sie hat sich dennoch kirchengeschichtlich allgemein durchgesetzt.

 

Die Kirchen, die sich im Zuge der Reformation Luthers etablierten, bezeichneten sich schließlich als „evangelisch-lutherisch“, einige allerdings auch neutraler als evangelische Kirche „Augsburgischen Bekenntnisses“. Die Präzisierung innerhalb der Evangelischen war auch notwendig geworden, weil sich bestimmte reformatorische Gruppen von der theologisch lutherisch geprägten Reformation entfernt und verselbständigt hatten.Sie lehrten und lehren anderes, besonders hinsichtlich des Abendmahls und der Taufe. Da sind vor allem zu nennen, die von den schweizerischen Reformatoren Zwingli und Calvin Geprägten („Reformierte“ oder „Helvetisches Bekenntnis“) sowie die Täuferbewegung (Baptisten).

 

Heute bezeichnen sich die großen Landeskirchen von Bayern, Braunschweig, Hannover, Oldenburg, Schaumburg-Lippe, Norddeutschland und Sachsen als „evangelisch-lutherische“ Kirchen. Fragt man nach ihrer Bezeichnung, so wird man hören, dass man sich dem Erbe der Reformation von Martin Luther verpflichtet weiß. Man beruft sich auf das kirchliche Herkommen, auf die Tradition, ohne sich dabei aber allzu verbindlich auf die reformatorisch gewonnenen Glaubensaussagen (Bekenntnisschriften des Konkordienbuches von 1580) festzulegen.

 

So wird, entgegen dem Bekenntnis der lutherischen Reformation, die Bibel nicht mehr als alleinige „Regel und Richtschnur des christlichen Glaubens“ und Lebens und diese auch nicht mehr zuerst nach ihrem unmittelbaren Wortsinn (Literalsinn) verstanden und gepredigt. Wo es gesellschaftlich anstößig erscheint, wird der Wortsinn der Bibel ignoriert und uminterpretiert. So wird z.B. im Gegensatz von Röm. 1, 24 ff. und anderen Bibelstellen Homosexualität nicht mehr als Sünde bezeichnet, sondern sie darf, soweit verantwortlich und liebevoll praktiziert, sogar im Pfarrhaus gelebt werden. Da wird das Abendmahl auch denen gereicht, die bewusst bestreiten, dass in, mit und unter Brot und Wein der Leib und das Blut Jesu Christi zur Vergebung der Sünden empfangen werden (Leuenberger Konkordie von 1973 zwischen „Lutheranern“ und „Reformierten“).

 

Dass der Staat Religionsfreiheit besonders auch gegenüber den Muslimen zu gewährleisten hat, ist unbestritten. Dass aber die Kirchen den Repräsentanten des antichristlichen Islam Grüße zum Ramadan senden und beim Moscheebau und der Ausbildung von Imamen unterstützt, verstößt gegen Bibel und Bekenntnis. Die unterschiedliche Aufgabenstellung von Staat und Kirche werden vermischt.

 

Die Liste der Abweichungen von der Bibel und dem evangelisch-lutherischem Bekenntnis ließe sich weiter fortsetzen. Spricht man auf diese Abweichungen an, dann wird erwidert, dass man doch mit der Zeit gehen müsse und nicht bei den evangelisch-lutherischen Bekenntnisschriften des 16. Jahrhundert stehen bleiben könne. Die Bekenntnisaussagen wären damals richtig gewesen, aber da sich die Zeiten und Kirchen verändert hätten, treffen sie heute so nicht mehr zu. Entsprechendes gilt dann auch von der noch viel älteren Bibel – der Offenbarung Gottes. Das heißt, Bibel und lutherisches Bekenntnis werden nicht mehr als unverrückbarer zeitloser Maßstab verstanden, sondern nur als damals zutreffend. Deshalb muss deren Verständnis den zeitlichen Überzeugungen der Gesellschaft mehr oder weniger angepasst werden. Die Grenzen zwischen berechtigter Applikation (Predigt) und Anpassung an den Zeitgeist verschwimmen.  

 

Insgesamt verstehen sich also evangelische Landeskirchen vor allem von ihrem historischen Herkommen als „evangelisch-lutherisch“.

 

Gegenüber solchem relativierenden Verständnis gibt es innerhalb der Landeskirchen, vor allem aber außerhalb, als selbständige Kirchen und Gemeinden,solcheLutheraner, diedas evangelisch-lutherische Bekenntnis nach wie vor gerade auch inhaltlich für sich als verbindlich und verpflichtend verstehen und danach ihre Verkündigung ausrichten.Sie werden bezeichnet, bzw. sie bezeichnen sich, als Bekenntnislutheraner, konfessionelle Lutheraner, bekenntnisgebundene Lutheraner, schrift- und bekenntnistreue Lutheraner oder exotisch als Genesio-Lutheraner oder Konkordien-Lutheraner, und soweit außerhalb der Landeskirchen, als Selbständige Lutheraner, vormals „Altlutheraner“.

 

Die liberalen evangelisch-lutherischen Landeskirchen haben sich in Deutschland in der „Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche“ (VELKD) und weltweit im „Lutherischen Weltbund“ (LWB) zusammengeschlossen.

 

Die außerhalb der Landeskirchen stehenden verfassten konfessionellen Lutheraner (Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK), Evangelisch-Lutherische Freikirche (ELFK) tauschen sich weltweit aus, in der „International Lutheran Conferenz“ oder alternativ in der „Konfessionellen Evangelisch-Lutherische Konferenz“.

 

Detlef Löhde

 

Lesen Sie auch: "Ende des Luthertums?"

 

Literaturhinweis:

"Lebendig - biblisch - ermutigend", Wolfgang Hörner

als Gratis-Ebook oder als Print-Exemplar vom sola-gratia-verlag

 

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