Welche Quelle speist die "neue EKD - Ethik"?

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Dass wir es in den letzten Jahren mit einer „neuen evangelisch-amtskirchlichen Ethik“ zu tun bekommen haben, dürfte von Niemandem bestritten werden. Man vergleiche nur die heutigen Stellungnahmen der EKD und ihrer Gliedkirchen zu ethischen, insbesondere zu sexual-ethischen Themen, mit denen von vor 25 oder gar 40 Jahren und man stellt fest, dass sie nahezu gegensätzliche Aussagen enthalten.

 

Wie kann es sein, dass man damals überzeugt war, sich am Wort Gottes orientiert zu haben und man dies heute mit gegensätzlichen Aussagen auch wieder für sich in Anspruch nimmt? Da ist die zeitlose Wahrheit Gottes und seiner Offenbarung der Bibel in Frage gestellt. Kann so die Amtskirche noch glaubwürdig sein, noch glaubwürdig verkündigen? Wie weit kann sie sich von ihrer geistig-geistlichen Grundlage, der Bibel, emanzipieren, ja, lossagen? Einen vorläufigen Höhepunkt hat diese Entwicklung mit der Segnung von „Homo-Ehen“ und der Genehmigung des homosexuellen Zusammenlebens von Pfarrern und Pfarrerinnen in Pfarrhäusern gefunden. Es ist nicht mehr nachvollziehbar, wie die Amtskirche etwas im Namen Gottes meint segnen zu können, was Gott ein Gräuel ist (3. Mose 18, 22; Röm. 1, 26.27). Der geistliche Sinn ihres Auftrages und ihrer Vollmacht scheint ihr verloren gegangen zu sein.

 

Wie ist diese Entwicklung in den Amtskirchen zu Stande gekommen? Dafür allein die Umstände und Verhaltensweisen der gegenwärtigen Gesellschaft verantwortlich zu machen, genügt wohl nicht. Gab es doch in der hellenistisch-römischen Gesellschaft zur Zeit der Apostel vergleichbare sexuelle Entgleisungen und Praktiken, ohne dass diese von der christlichen Gemeinde als mögliche christliche Lebensform akzeptiert worden wären. Nein, die christliche Gemeinde orientierte sich am offenbarten Wort Gottes, am Zeugnis der Apostel und Evangelisten. Sie verkündigte und lebte ein gottgefälliges „Gegenmodell“ zur damaligen Gesellschaft. Ihre christliche Lebensweise nötigte vielfach sogar nichtchristlichen Kreisen moralische Anerkennung und Respekt ab.

 

Die Kirche hat das Wort Gottes – die Theologie – bis ins Mittelalter und auch noch in der Reformationszeit als ein Ganzes betrachtet und verkündigt. In der Neuzeit kam es dann mehr und mehr zu einer Aufsplittung nach Spezialgebieten. Unter anderem trennte sich die Theologie des christlichen Lebens und Handelns (Ethik) von der Theologie der Glaubensbekenntnisse und Glaubenssätze (Dogmatik, bzw. systematische Theologie). Seit der Zeit der Aufklärung und Moderne, bis in die Gegenwart hinein, ist dann die Theologie der Glaubensbekenntnisse und Glaubenssätze (Dogmatik) unter starken Beschuss geraten. Auch in christlichen Kreisen empfand man vielfach die Fragen nach der rechten wahren Glaubenslehre als Haarspalterei und Gezänk von Theologen. Zugunsten einer unbestimmten emotionalen Frömmigkeit und eines sogenannten „praktischen Christentums“ stellte man die eigentlichen Inhalte des christlichen Glaubens zurück. Die evangelischen Großkirchen verlagerten ihre Verkündigung und ihre Verlautbarungen mehr und mehr in den ethischen Bereich.

 

Die Ethik hatte sich mehr und mehr von der Dogmatik abgekoppelt und verselbständigt. Und die Dogmatik wurde und wird gegen Angriffe kaum noch verteidigt, weil sie vermeintlich das tägliche Christenleben nicht betreffen würde und sie damit auch den Gemeinden vor Ort gleichgültig sei. Zentrale Glaubenssätze wie von der Jungfrauengeburt Jesu, der Gottessohnschaft Jesu, dem Kreuzesopfer und der leiblichen Auferstehung Jesu und der Bibel als dem gewissen Wort Gottes, dürfen innerhalb der verfassten Kirche von ihren Amtsträgern in Frage gestellt und bestritten werden. Damit aber werden zugleich der christlichen Ethik die Wurzeln abgeschnitten.

 

Die reformatorische Erkenntnis aber, dass die Werke - das christliche Leben - Früchte des Glaubens sind und somit eben die christliche Ethik aus der christlichen Dogmatik erwächst, ist weithin geschwunden. Doch wer an Christus glaubt und ihn liebt, der wird auch gern seine Gebote halten (Joh. 14, 23-26). Wenn man aber die Axt an den Baum (Dogmatik) gelegt hat, kann man von ihm keine guten Früchte (Ethik) mehr erwarten.

 

Grundsätzlich gilt es einmal, sich bewusst zu machen, aus welchen Quellen sich unsere Verhaltens- und Wertmaßstäbe speisen:

 

Jedem Menschen ist ein Gewissen und das Unterscheidungsvermögen von gut und böse vom Schöpfer gegeben. Nach dem Sündenfall ist das Gewissen zwar nicht mehr absolut zuverlässig, kann sich täuschen, sich selbst betrügen oder auch zum Schweigen gebracht werden, dennoch bleibt es immer noch ein Stück Mahner und Kompass für unser Leben.

 

Weil nun unser Gewissen nicht mehr unbedingt zuverlässig ist, deshalb hat uns Gott seinen Willen und seine Gebote mit klaren Worten zuerst durch die Erzväter, Mose und die Propheten und dann durch Jesus Christus und seine Apostel offenbart und uns kraft des heiligen Geistes zuverlässig mit der Bibel überliefert.

 

Verhalten und entscheiden wir uns in unserem Leben entgegen dem Wort Gottes, dann fließt das aus unserem sündigen Wesen. Dass wir uns nichts von Gott gebieten oder verbieten lassen wollen, dass wir uns gegen seinen Willen selbst bestimmen wollen, dass wir selbst unser eigener Gott sein wollen. Das ist die Quelle der „neuen evangelisch-kirchlichen Ethik“.

 

Schlimm ist, dass die sündige Quelle nicht sofort als solche erkannt wird, da für die „neue Ethik“ noch pseudo-theologische Begründungen geliefert werden. Gottes Wort der Bibel soll mit folgenden Argumenten ausgehebelt werden: Deutliche Gebote und Verbote Gottes werden willkürlich als nur „zeitbezogen und zeitbedingt“ dargestellt. Deutliche Worte Jesu werden als ihm nachträglich von seiner Gemeinde in den Mund gelegt bezeichnet. Die Worte der Evangelisten und Apostel, insbesondere die des Paulus, werden nicht als das von Gott inspiriertem Wort verstanden, sondern zum zeitbezogenen, missverständlichen und irrtümlichen Menschenwort herabgewürdigt. Bei diesen vorgefassten Ansichten geht jede Berufung auf deutliche Worte Gottes ins Leere.

 

Die Vertreter der „neuen Ethik“ haben de facto ein neues ungeschriebenes Dogma: Das Verhalten eines Menschen sei ethisch immer vertretbar, wenn es von Liebe und Verantwortung gegenüber einem anderen Menschen geprägt ist. Deshalb sei eben auch gegen ein „Homo-Ehe“ nichts einzuwenden. Der Maßstab der Liebe und Verantwortung gegenüber einem anderen Menschen mag sich zunächst gut anhören, aber er darf nicht gegen Gott und seine Gebote ausgespielt werden, sonst ist der Maßstab nicht mehr christlich, sondern humanistisch-rationalistisch.

 

Jesus spricht zu uns (Mt. 22, 37-40: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt. Dies ist das höchste und größte Gebot. Das andere aber ist dem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. In diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“ Die Vertreter der „neuen Ethik“ lassen den ersten Satz von der Liebe zu Gott weg und setzen den nächsten Satz der Nächstenliebe absolut! Denn sie wissen, dass sich die Liebe zu Gott darin ausdrückt, dass man gern seine Gebote hält, und dass die Liebe zum Nächsten nicht gegen die Liebe zu Gott ausgespielt werden darf. Es ist weder Liebe zu Gott noch wahre Nächstenliebe, wenn ich meinen Nächsten in seiner Sünde bestärke, statt ihn liebevoll zur Buße zu rufen - zu seiner Rettung und Erlösung. Von den Vertretern der „neuen Ethik“ wird jedoch solches „Zur-Buße–rufen“ als unchristliche Lieblosigkeit und Gesetzlichkeit verleumdet.

 

Mit all diesen pseudo-theologischen Begründungen der Vertreter der „neuen evangelisch-amtskirchlichen Ethik“ sollen nicht allein Gottes Worte entkräftet werden, sondern zugleich soll auch das noch im natürlichen Menschen sich regende Gewissen und Unterscheidungsvermögen von gut und böse zum Schweigen gebracht – korrumpiert werden.

 

Detlef Löhde


 

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