Vom Wesen und den Aufgaben der verschiedenen Dienste (Ämter) im Neuen Testament

 als PDF-Format unten

Aber es soll nicht so unter euch sein“ spricht Jesus

Jesus hatte seine Jünger berufen, ihm nachzufolgen und er allein war ihr Herr und Meister (Joh. 15, 16). Doch nach einer gewissen Zeit wollten sich Jakobus und Johannes schon einen herausgehobenen Platz, ja den Platz als Jesu Vertreter, sichern (Mt. 20, 20 ff.; Mk. 10, 35 ff.).

 

Aber Jesus weist sie ab und spricht: „Wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; und wer der Erste sein will, der soll euer Knecht sein.“ Als abschreckendes Beispiel spricht Jesus von den Schriftgelehrten und Pharisäern (Mt. 23, 6-12): „Sie sitzen gern obenan bei Tisch und in den Synagogen und haben's gern, dass sie auf dem Markt gegrüßt und von den Leuten Rabbi genannt werden. Aber ihr sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn einer ist euer Meister; ihr aber seid alle Brüder. Und ihr sollt niemanden unter euch Vater nennen auf Erden, denn einer ist eure Vater, der im Himmel ist. Und ihr sollt euch nicht Lehrer nennen lassen, denn einer ist euer Lehrer: Christus. Der größte unter euch soll euer Diener sein. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht.“

 

Unter den Jüngern Jesu und danach in der Gemeinde und Kirche Christi soll es also nicht um persönliches Ansehen, nicht um eine Vorrangstellung und nicht um Macht über andere gehen, sondern ausschließlich um ein geschwisterliches Dienen an den anderen. Doch die sich zu nachapostolischer Zeit, besonders mit dem frühen Staatskirchentum entwickelten kirchlichen Ämter, Hierarchien, ehrenvollen Titeln und devoten Anreden wie auch die Unterscheidung von Laien und Geistlichen (Klerus) stehen zu den Worten Jesu im Widerspruch.

 

Welche Konsequenz erwächst aus dieser Feststellung? Im Sinne einer Gleichmacherei zu sagen, es dürfe überhaupt niemand in der Gemeinde mit besonderen Aufgaben und Funktionen betraut werden, jeder könne alles und mache alles und auch einer Leitung bedürfe es nicht, das ist utopische Schwärmerei. Nach dem Sündenfall muss jede menschliche Gemeinschaft in irgendeiner Weise sinnvoll geordnet werden. Dazu gehört auch, dass von einem Einzelnen oder einem Gremium die Gemeinschaft gefestigt und geleitet wird, sonst ist ihr Bestand gefährdet und sie kann ihren Aufgaben und ihrem Auftrag nicht nachkommen. Deshalb erhält exemplarisch Petrus von Jesus den Auftrag, seine Schafe zu weiden. Er soll sie zu geistlicher Nahrung führen (Christi Wort, Taufe und Abendmahl) und sie fürsorglich begleiten und leiten (Joh. 21, 15 ff.). Dazu sind dann auch die den Aposteln nachfolgenden Ältesten (Presbyter, Episkopen) von Gott eingesetzt (Apg. 20, 28; 1. Kor. 12, 28; 1. Petr. 5, 1-4). Mit dem Weide- wie auch mit dem Missionsauftrag Christi ist ein verantwortliches beständiges Dienstamt dafür mit eingestiftet.

 

Die missionarische Verkündigung nach außen und das Weiden und Leiten der Gemeinde soll aber nach den Worten Jesu nicht wie das von weltlichen Herrschern mit Macht und Gewalt und hierarchisch geschehen, sondern als ein demütiger fürsorglicher Dienst unter Geschwistern.            Wie die Beispiele der Apostel Petrus und Paulus zeigen, hatten selbst die Apostel keine diktatorische Macht über die Gemeinden, sondern sie waren auf das Mittel des gepredigten bzw. geschriebenen Wortes gewiesen.

 

Wenn in der Lutherübersetzung der Apostelgeschichte und den Briefen von „Amt“ und „Ämtern“ die Rede ist, dann ist das die Übersetzung des griechischen „diakonia“, was „dienende Arbeit“ oder „Dienst“ bedeutet. Der Apostel Paulus bezeichnet mit „diakonia“ die zum ständigen Dienst am Wort Christi Berufenen. Deshalb trifft die Lutherübersetzung mit „Amt“ für die zum „ständigen Dienst Berufenen“ durchaus zu. Allerdings assoziiert heute der Begriff „Amt“ mehr eine formale Macht- und Befehlsbefugnis eines Behördenvertreters und verdunkelt den gemeinten eigentlichen brüderlichen Dienstcharakter im Namen Jesu Christi. Vielleicht kann die Bezeichnung „Dienstamt“ etwas über das Missverständnis hinweghelfen.

 

Vom Missionsauftrag Jesu Christi

Bevor der auferstandene Herr die sichtbare Welt verließ und zu seinem Vater in den Himmel fuhr, gab er seinen Jüngern den letzten und bleibenden Auftrag für alle Zeiten:

  • Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe“ (Mt. 28,19ff.).

  • Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur. Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden“ (Mk. 16,15ff.).

  • So steht's geschrieben, dass Christus leiden wird und auferstehen von den Toten am dritten Tage; und dass gepredigt wird in seinem Namen Buße zu Vergebung der Sünden unter allen Völkern. Fangt an in Jerusalem, und seid dafür Zeugen (Lk.24, 46.47).

 

Diesen Missionsauftrag hat Jesus seinen anwesenden elf Jüngern gegeben. Sie waren in einmaliger Weise Augen- und Ohrenzeugen seiner Worte und Taten, seines Lebens, Sterbens und Auferstehens und sind von ihm persönlich direkt als seine Apostel (= Gesandte) ausgesendet worden. Danach ist, außer dem Apostel Paulus (Apg. 9; 1. Kor. 15, 8-9), keiner mehr von Jesus so direkt wie die Elf beauftragt und gesandt worden.

 

Die Elf, mit Judas waren es ursprünglich Zwölf, sind von Jesus im Blick auf die ehemals 12 Stämme Israels also als symbolische Repräsentanz des ganzen Gottesvolkes in die Nachfolge und zum Dienst gerufen worden. So haben sie nicht nur persönlich den Missionsauftrag empfangen, sondern auch stellvertretend für die Gesamtheit der Jüngerschaft Jesu aller Zeiten, für das Gottesvolk des Neuen Bundes – für die Gemeinde und Kirche Jesu Christi. Die gesamte Kirche aller Zeiten hat den bleibenden Auftrag bekommen, den Herrn Christus durch Wort und Tat weltweit zu bezeugen und zu verkündigen, damit viele Menschen seine Jünger werden, damit viele Menschen zum ewigen Leben gerettet werden.

 

Der Apostel Petrus schreibt an die Gemeinde, sie alle sollen ihren Herrn bekennen, bezeugen und verkündigen (1.Petr. 1, 9; 3, 15): „Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht.“ Und: „Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist.“ Dazu ist also jeder Christ, jedes Gemeindeglied, aufgefordert und bevollmächtigt.

 

So wie Jesus vor seinem Kreuzestod die Zwölf (Mt. 10; Lk. 9) und dann die 72 Jünger (Lk. 10) in die Dörfer und Städte der Juden gesandt hatte, so hat er als der Auferstandene die Elf und dann noch den Paulus zu den Völkern in der Welt gesandt (Sendung – lateinisch „Mission“).

Viele Worte, die Jesus bei der ersten Aussendung seinen Jüngern an Verheißungen, Warnungen und Mahnungen auf den Weg gegeben hat, gelten auch für die spätere Aussendung zu den Völkern. Das sind Worte wie: „Ich sende euch wie Lämmer mitten unter die Wölfe. Wer euch hört, der hört mich; und wer euch verachtet, der verachtet mich; wer aber mich verachtet, der verachtet den, der mich gesandt hat.“ (Lk. 10, 3.16). „Sie werden euch den Gerichten überantworten und werden euch geißeln in den Synagogen. Und man wird euch vor Statthalter und Könige führen um meinetwillen, ihnen und den Heiden zum Zeugnis“ (Mt. 10, 17.18).

Andere Worte Jesus aber galten nur der damaligen ersten Aussendung, wie z.B. „Tragt keinen Geldbeutel bei euch, keine Tasche und keine Schuhe und grüßt niemand unterwegs“ (Lk. 10, 4; Lk. 22, 35 f.). Bei der ersten Aussendung hatte Jesus den Auftrag gegeben, zu predigen, dass das Reich Gottes nahe herbeigekommen ist (Mt. 10, 7). Nach seiner Auferstehung hat Jesus den Auftrag gegeben, das Evangelium von seinem Kreuzestod und seiner Auferstehung zu bezeugen, Buße zu predigen zur Vergebung der Sünden und auf den dreieinigen Gott zu taufen.

 

Jesu Worte sind an seine Jünger in der Mehrzahl gerichtet. Ja, alle Jünger, alle Christen, alle Gemeindeglieder sind angesprochen und verantwortlich. Damit ist aber nicht gesagt, dass jeder in gleicher Art und Weise gefordert ist. Jeder Jünger, jedes Gemeindeglied wird den Auftrag Christi nicht in gleicher Weise tun können. Schon von Natur aus haben wir recht unterschiedliche Begabungen, Fähigkeiten und Neigungen. Gott fordert von uns nicht mehr, als er uns zuvor gegeben hat (Eph. 2,10; Phil. 2,13) - Gott fordert, aber Gott überfordert uns nicht! Jesu Gleichnis von den anvertrauten Zentnern (Mt. 25, 14 ff.; Lk. 19, 12 ff.) macht uns das sehr deutlich.

 

 

Die im Neuen Testament genannten Dienstämter:

 

Apostel (griech.: apostolos)

Apostel heißt übersetzt “Gesandter”. Ein Apostel Jesu Christi ist also jemand, der von Jesus Christus gesandt wurde, der ihn vertritt, der an seiner Stelle steht, der in seinem Auftrag und seiner Vollmacht redet und handelt. Im engeren Sinne werden die Zwölf, von Jesus direkt in seine Nachfolge gerufenen Jünger, Apostel genannt (Mt. 10, 2). Judas, der Verräter fällt dann weg, als sein Nachfolger wird Matthias von den verbliebenen elf Aposteln kraft des heiligen Geistes berufen. Apostel in diesem Sinne waren also von Jesus besonders berufene Jünger, die ihm nachgefolgt waren, ihn begleitet hatten und Augen- und Ohrenzeugen seiner Auferstehung geworden sind. Später wird vom auferstandenen Christus noch Paulus direkt zum Apostel berufen.

 

Die Apostel sollen in einmaliger Weise persönliches Zeugnis geben von Jesu Kreuz und Auferstehung, von seinen Worten und Taten und von seiner Erfüllung des Alten Testaments. Sie sind die ersten und hervorragendsten Adressaten des Missionsbefehls Jesu (Mt. 28, 19.20). Auf dem Zeugnis der Apostel ist die Kirche Jesu Christi gebaut (Eph. 2, 20). Dieses Zeugnis forderte die ganze Kraft und Zeit der Apostel und deshalb soll die Gemeinde auch für ihren Lebensunterhalt sorgen. Der Apostel Paulus hat dies nicht in Anspruch genommen, sondern weiter für seinen Lebensunterhalt gearbeitet (1. Kor. 9; 1.Thess. 2, 7).

 

Nach dem Maßstab der Augen- und Ohrenzeugenschaft der Auferstehung Jesu Christi und der direkten Berufung durch ihn ist das Apostolat einmalig und kann keine direkte Fortsetzung finden. Doch die “Lehre der Apostel” - ihr Christuszeugnis, das Evangelium - soll unverändert und unverfälscht über die Generationen bis zum Jüngsten Tag weitergegeben werden (1. Kor. 4,1, Gal. 1, 6-9).

 

Allerdings wird im Neuen Testament (Apg. 14,14) und später auch in der Kirchengeschichte der Begriff Apostel mitunter auch in einem weiter gefassten Sinne gebraucht. Da werden auch ausgesandte Missionare als Apostel bezeichnet, später z.B. Bonifatius als der “Apostel der Deutschen”.

 

Nicht haltbar vom Neuen Testament und auch nicht von der Kirchengeschichte ist, dass der Auftrag Christi ausschließlich von den Aposteln direkt und lückenlos an die nachfolgende Generation der Bischöfe weitergegeben wurde und von diesen wiederum an die nächste Generation bis zum heutigen Tage. Daran anknüpfend ist zurückzuweisen, dass geistliche Vollmacht zum Predigen und zur Sakramentsverwaltung nur solche Bischöfe und deren priesterlichen Helfer hätten, die in einer ungebrochenen lückenlosen Nachfolge der Apostel, besonders des Apostels Petrus, stehen und in der Gemeinschaft mit dem Papst stehen (Römisch-katholische Lehre von der Bischöflichen Sukzession).

 

Propheten (griech. profetes)

Hört man von Propheten, dann denkt man zuerst an die Schriften der Propheten des Alten Testaments, doch auch in den christlichen Gemeinden des Neuen Testaments hat es Propheten gegeben. Wer ist nun ein Prophet? Ein Prophet ist ein Mensch, der von Gott direkt, durch eine Vision oder einen Engel, berufen worden ist, bestimmte Dinge und Worte dem Gottesvolk bzw. der Gemeinde zu verkündigen. Ihre direkte göttliche Berufung hebt sie auf die Ebene der Apostel.

 

Im Gegensatz zum Alten Testament wird uns im Neuen Testament nichts über die Inhalte der Prophetenreden mitgeteilt. Deshalb ist wohl davon ausgehen, dass es sich lediglich um eine Entfaltung und Konkretisierung der Worte Jesu und seiner Apostel gehandelt hat, ansonsten hätte uns der heilige Geist die Prophetenworte mit dem Neuen Testament überliefert. Noch bis zum Anfang des 3. Jahrhunderts sind in den christlichen Gemeinden Propheten aufgetreten.

Problematisch war es mitunter echte von falschen Propheten zu unterscheiden. Schon im Alten Testament hören wir von falschen Propheten und der Herr Christus warnt auch vor den falschen Propheten, die nach ihm kommen werden (Mt. 24, 11). Deshalb mahnen die Apostel Paulus und Johannes, die Geister zu unterscheiden (1. Kor. 12, 10; 1. Joh. 4, 1). Die Worte der Propheten müssen geprüft werden, ob sie im Einklang mit dem Glauben der Gemeinde Jesu Christi stehen (Röm. 12, 6, die so genannte “Regula Fidei” = Glaubensregel).

 

Propheten (profetes) sind erwähnt in Apg. 11, 27; 13, 1; 15, 32; 1. Kor. 12, 28; Eph. 3, 5; 4, 11. Von der Gabe prophetischer Rede hören wir in Röm. 12, 6; 1.Kor. 12, 10; 13, 2-8; 14, 1-6. 29.37; 1.Thess. 5, 20. Ob Jemand, dem prophetische Rede gegeben war, damit automatisch als ein Prophet bezeichnet wurde, bleibt dahin gestellt.

 

Lehrer (griech. didaskaloi)

Lehrer vermittelten und vertieften systematisch die Glaubenssätze des Evangeliums in den Gemeinden. Die Gemeinden sollten im Glauben gestärkt und auferbaut werden und in der Erkenntnis wachsen. Das sollte sie auch befähigen, Irrlehrer zu erkennen und abzuweisen. Man könnte sagen, mit den Lehrern begann die systematische Theologie. Die Aufgabe des Lehrers war also vor allem eine nach innen gerichtete. Der Apostel Paulus hat seinen Mitarbeiter Timotheus als Lehrer zu den neu gegründeten Gemeinden gesandt (1. Tim. 4, 6-16). Lehrer (didaskaloi) sind erwähnt in Apg. 13,1; 1. Kor. 12, 28.29; Jak. 3, 1

 

Evangelisten (griech. euangelistoi)

Evangelisten verkündigten das Evangelium an Menschen, die es noch nie gehört hatten. Man könnte sie als “Herolde des Evangeliums” und Missionare bezeichnen. Ihre Aufgabe war also nach außen an Einzelne und auch an die Öffentlichkeit gerichtet. Evangelisten (euangelistoi) sind erwähnt in Apg. 21, 8; Eph. 4,11

 

Älteste (griech. presbyteroi)

Die Ältesten einer Familie, einer Gruppe, eines Stammes oder Volkes besaßen hohe Autorität und waren naturgemäß zum Rat-geben, zu Entscheidungen und zur Führung berufen. Angelegenheiten mehrerer Familien oder Gruppen wurden von einem “Rat der Ältesten” entschieden. So wurde auch die Synagogengemeinde eines Dorfes oder einer Stadt von einem Gremium der Ältesten kollektiv geleitet. Da es in solchen Gremien vor allem auf eine Leitungsfähigkeit ankam, löste man sich behutsam vom reinen Lebensaltersprinzip und nahm auch geeignete Jüngere in das Gremium der Ältesten. Ob das Gremium durch Wahl oder Adaption gebildet und ergänzt wurde, mag unterschiedlich gewesen sein. Diese kollektive Leitungsform der Ältesten wurde von den urchristlichen Gemeinden übernommen. Und wie uns berichtet wird, sind die ersten Ältesten von den Missionierenden ernannt worden. Wenn der Apostel Paulus schreibt, dass man die Ältesten ehren solle, “besonders, die sich mühen im Wort und der Lehre”, dann deutet das auf eine Aufgaben- und Arbeitsteilung innerhalb der Ältestenschaft hin (1. Tim. 5, 17).

 

Entscheidungen für die Gesamtkirche wurden, unter Beistand des heiligen Geistes, von den Aposteln gemeinsam mit den Ältesten getroffen (Apg. 15). Älteste (presbyteroi) sind erwähnt in Apg. 4,5; 11,30; 14,23; 15,22; 1. Tim. 4,14; 5, 17.19; 1. Petr. 5,1

 

Anmerkung:

Von der griech. Bezeichnung “Presbyteros” (= Ältester) wurde das deutsche Wort “Priester” abgeleitet, das aber in der Kirchengeschichte einen fast gegenläufigen Bedeutungsinhalt gewonnen hat. Im Deutschen ist leider kein begrifflicher Unterschied gegeben gegenüber dem alttestamentlichen Priester (hebr. Kohen, griech. Hiereus, lat. Sacerdos), dessen Aufgabe der Opferdienst und die Mittlerschaft zu Gott war. Um das Missverständnis zu vermeiden, dass das neutestamentliche kirchliche Verkündigungsamt eine Fortsetzung des alttestamentlichen Priestertums wäre, vermeiden die reformatorischen Kirchen die Amtsbezeichnung „Priester“, während ihn die Röm.-kath. Kirche bewusst auch in seiner alttestamentlichen Bedeutung gewählt hat. Denn ein röm-kath. Priester bringt das Messopfer dar und vermittelt Gottes Gnade.

 

Bischöfe (griech. episkopoi)

Apostelgeschichte 20, 28 berichtet uns, dass der Apostel Paulus die Ältesten (Presbyter) der Gemeinde von Ephesus als die Bischöfe (episkopoi) anspricht, die der heilige Geist eingesetzt hat, damit sie die Gemeinde Gottes weiden. “Episkopos” heißt nun übersetzt “Aufseher”. Der Apostel Paulus sagte also den Ältesten von Ephesus, ihr seid von Gott zu “Aufsehern” eingesetzt und wollte sie damit auf ihre vornehmste gemeinsame Aufgabe und Pflicht hinweisen.

 

Wen hatte man in der Umwelt des Apostels Paulus mit “Episkopos” (Aufseher) bezeichnet?

Mit “Episkopos” wurden die von Athen entsandten weltlichen Beamten bezeichnet, die die abhängigen Dörfer und Städte zu beaufsichtigen hatten und dort für die Aufrechterhaltung der Ordnung und die niedere Rechtsprechung verantwortlich waren.

In Syrien wurden die bei größeren Bauwerken mit der Bauaufsicht Betrauten als “Episkopoi” bezeichnet. Aber auch heidnisch-religiöse Kultvereine bestellten “Episkopoi”, die für die äußere Versorgung und Organisation zuständig waren.

Von welchem Hintergrund genau der Apostel nun die Bezeichnung “Episkopoi” für die Ältesten (Presbyter) gewählt hat, muss offen bleiben. Aus den Briefen des Apostels Paulus erscheinen als maßgebende Momente die Aufsicht über die Lehre und die Wahrung der Ordnung und Einheit. Im 1. Brief an Timotheus, Kapitel 3, beschreibt der Apostel die Anforderungen an einen Bischof. Bischöfe (episkopoi) sind erwähnt in: Apg. 20, 28; Phil. 1,1; 1.Tim. 3, 2; 1. Petr. 2,25

 

Hirten (poimen)

Die Bezeichnung “Hirte” wurde schon im Alten Testament wie auch im heidnischen Umfeld, zum Beispiel in Ägypten, im übertragenen Sinne gebraucht. Führer und Könige waren die Hirten des Volkes, die es zu beschützen und zu ernähren hatten - die es zur Weide und zu frischem Wasser führen sollten. Doch so oft waren die Hirten eigensüchtig und untreu (Hes., Joh. 10, 12) und da spricht Jesus von sich (Joh. 10, 11- 14): “Ich bin der gute Hirte”. Doch Jesus hat kein Reich von dieser Welt errichtet, so ist sein “Hirte-sein”, sein “König-sein”, auch nicht äußerlich von dieser Welt. Jesus ist der Hirte und König unserer Seelen, unseres Glaubens und all seiner Verheißungen.

 

Nach seiner Auferstehung gibt Jesus dem Apostel Petrus den Auftrag, seine Schafe zu weiden (Joh. 21, 15-17). So ist auch das Weiden des Petrus ein geistliches Weiden der Gemeinde Jesu. Die Gemeinde soll geistlich vor falschen Propheten und Lehren geschützt und in liebevoller Weise mit dem Wort und Sakrament Christi ernährt werden. So meint der Weide- und Hirtenauftrag Jesu Christi, seine Gemeinde in treuer Haushalterschaft (griech. “oikonomia”) geistlich zu versorgen – in Verantwortung vor ihm und der Gemeinde. Der Apostel Paulus spricht zu den Ältesten der Gemeinde von Ephesus (Apg. 20, 28.29): “So habt nun acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in der euch der heilige Geist eingesetzt hat zu Bischöfen (episkopoi - Aufsehern), zu weiden die Gemeinde Gottes, die er durch sein Blut erworben hat. Denn das weiß ich, dass nach meinem Abschied reißende Wölfe zu euch kommen, die die Herde nicht verschonen werden.”

 

Älteste (presbyteroi), Bischöfe (episkopoi) und Hirten (poimen) werden also gleichgesetzt, sie sind derselbe Personenkreis.

Hirten sind erwähnt in Eph. 4, 11; 1. Petr. 2, 25; 5, 2 und der Auftrag die Herde zu weiden in Joh. 21, 15; Apg. 20, 28; 1.Petr. 5, 2.

 

Diakone (diakonoi)

Diakon ist mit “Dienender” zu übersetzen. Im engeren Sinne verstand man im weltlichen Bereich unter einem Diakon, einen, der zu Tische dient. Im Neuen Testament bleibt der Aufgabenbereich der Diakone unbestimmt. Es sei denn, man setzt sie mit den für den Dienst an der Armentafel gewählten Sieben (Apg. 6, 1-7) gleich. “Doch es ist weitgehend übereinstimmende Ansicht der neutestamentlichen Exegeten, dass man in den Sieben aus Apg. 6, 1-7 nicht die Anfänge des Diakonenamtes erblicken dürfe. Ihr Dienst ging weit über den Dienst bei Tisch, wie er von Apg. 6, 2 beschrieben wird, hinaus. Wo sie uns in der Folgezeit begegnen, verkünden sie das Evangelium, taufen und nehmen sogar Heilungen vor (Apg. 6, 8; 8, 4-7.12).”1

 

Im Sinne eines Funktionsamtes sind Diakone ausdrücklich nur in Phil. 1, 1 und 1. Tim. 3, 8-13 erwähnt. Dabei fällt auf, dass die Anforderungen, die an einen Diakon gestellt werden, im Wesentlichen denen entsprechen, die an einen Bischof gestellt werden. Von einem Diakon wird nur nicht gefordert, dass er wie ein Bischof besonders zur Lehre befähigt sein müsse. Dass mangels einer neutestamentlichen Aufgabenbeschreibung hilfsweise auf die Kirchengeschichte Bezug genommen wird, ist problematisch, da die Stellung der Diakone im Laufe der Kirchengeschichte einem beträchtlichen Wandel unterworfen war.2

 

Während der “Diakon” als Funktions- und Amtsträger der Gemeinde nur zweimal in den Paulusbriefen genannt wird, erscheint die Bezeichnung Diakon im weiten Sinne häufiger und das Verb “dienen” (diakoneo) wird recht häufig gebraucht.

 

Obwohl die neutestamentlichen Funktions- und Amtsbezeichnungen nicht aus dem sakralen, sondern aus dem weltlichen Bereich stammen, sind sie dennoch auch Christus-Bezeichnungen:

Jesus Christus ist der Apostel (Gesandte) seines Vaters (Hebr. 3, 1), unser guter Hirte (Joh. 10, 11) und Bischof (Aufseher) unserer Seelen (1. Petr. 2, 25), unser Lehrer (Mt. 23, 8) und Diakon seines Volkes (Röm. 15, 8) - ein uns Dienender (Mt. 20, 28; Lk. 22, 26.27; Joh. 13, 1-15).

 

Die zunächst erscheinende Unübersichtlichkeit der im Neuen Testament aufgeführten Dienste, Funktionen und Ämter klärt sich also ein Stück weit wie folgt:

  • Die Berufung der Apostel war einmalig, das Apostolat war mit ihrem Tod beendet.

  • Außerordentliche unmittelbar göttliche Berufungen von Propheten hat es seit Anfang des 3. Jahrhunderts augenscheinlich nicht mehr gegeben.

  • Älteste, Bischöfe und Hirten sind nur unterschiedliche Bezeichnungen für denselben Personenkreis der kollektiven Gemeindeleitung, wobei nicht alle von ihnen gepredigt und gelehrt haben.

    Mit dem Gebrauch der unterschiedlichen Bezeichnungen könnte jeweils eine besondere Betonung einer ihrer Verantwortlichkeiten beabsichtigt sein. Mit der Bezeichnung “Älteste” werden sie auf ihre Leitungs- und Ordnungsfunktion, mit “Bischöfe” auf ihre Aufsichtsfunktion über die Lehre und mit “Hirten” auf ihre verantwortliche Haushalterschaft der geistlichen Versorgung der Gemeinde angesprochen.

  • Die Aufgabe der Lehrer ist eine eigenständige oder wurde aus dem Personenkreis der Gemeindeleitung wahrgenommen. Von den Bischöfen (episkopoi) ist ja u.a. die Befähigung zum Lehren gefordert (1. Tim. 3, 2).

  • Vergleichbar verhält es sich mit den Evangelisten. Die Aufgabe wurde als eigenständige oder von einem anderen Funktions- oder Amtsträger wahrgenommen. So hören wir, dass Philippus als einer der Sieben, die für die Armentafel gewählt waren, auch als Evangelist gewirkt hat (Apg. 21, 8).

  • Der Aufgabenbereich der Diakone des Neuen Testaments bleibt unklar.

 

Der dem Herrn und der Gemeinde verantwortliche dienende Personenkreis war zu apostolischer Zeit noch nicht als festgefügte hierarchische Ämterordnung verfasst. Die Dienste, Funktionen und Ämter scheinen nur die Schwerpunkte der Aufgabenbereiche und weniger eine trennscharfe Abrenzung zu bezeichnen. Es ist noch nicht formal festgelegt, dass ausschließlich ein Presbyter bzw. Episkopos predigen und taufen und das Abendmahl einsetzen darf. Wie könnte das auch sein, wenn anfangs täglich in den Häusern “das Brot gebrochen wurde”?

 

Das Tätigwerden der Dienstämter und der Gemeindeglieder scheinen sich ein stückweit zu überschneiden und zu überlappen. Nicht um zu wetteifern oder sich Konkurrenz zu machen, sondern zur Rettung von Menschen und zur Auferbauung der Gemeinde. Schon im Weltlichen, z.B. im Militärischen, gilt für die Zuweisung von bestimmten Aufträgen, dass an sogenannten „Nahtstellen“ sicherheitshalber die Zuständigkeiten sich etwas überschneiden sollen, um keine Lücken oder Schwachstellen entstehen zu lassen. Wenn dann einer ausfällt, der Betreffende gerade nicht vor Ort ist, eine günstige Gelegenheit verpasst würde, oder der Auftrag nicht allein bewältigt weren kann, oder der Betreffende sich nicht für kompetent und zuständig hält, dann kann der andere für ihn in die Bresche springen. Besonders in Eil- und Notfällen sowie Notzeiten hat jedes Glied der Gemeinde die gleiche Vollmacht Christi wie ein Amtsinhaber.

 

Wir finden im Neuen Testament nirgends den Vorwurf, dass ein Jünger oder Glied der Gemeinde seine geistlichen Befugnisse überschritten habe. Als der Jünger Johannes Jesus empört darüber berichtete, dass da einer, der sich nicht der Jüngerschar angeschlossen hatte, in Jesu Namen böse Geister austrieben hat, antwortet ihm Jesus (Mk. 9, 38-40; Lk. 9, 49.50): “Ihr sollt's ihm nicht verbieten. Denn niemand, der ein Wunder tut in meinem Namen, kann so bald übel von mir reden. Denn wer nicht gegen uns ist, der ist für uns.”

 

Und der Apostel Paulus schreibt von solchen, die aus Eigennutz und aus nicht lauteren Motiven Christus verkündigen und fährt fort (Phil. 1, 117.18): “Was tut's aber? Wenn nur Christus verkündet wird auf jede Weise, es geschehe aus Vorwand oder in der Wahrheit, so freue ich mich darüber.” Nirgends finden wir im Neuen Testament, dass nur ein ganz bestimmtes Dienstamt predigen, taufen und das Abendmahl einsetzen dürfe, womit das dafür ordentlich eingesetzte Amt keinesfalls in Frage gestellt ist! Um einer Verwirrung und Eifersüchteleien vorzubeugen, weist der Apostel darauf hin, dass Gott nicht ein Gott der Unordnung, sondern des Friedens ist und deshalb in der Gemeinde und im Gottesdienst alles ehrbar und ordentlich zugehen müsse. Was das in der Praxis bedeutet, schreibt der Apostel Paulus in seinem 1. Brief an die Korinther, besonders in Kap. 12 und Kap. 14, Verse 26 ff.. Menschen durch das Evangelium Jesu Christi zu retten, zu helfen und zu trösten hat Vorrang. Allein auf dem Wort Christi liegt die Verheißung und die Kraft, sein Wort tut's und wirkt's und nicht der, durch dessen Mund es ausgeht. 

 

Alles, was der Weitergabe der Botschaft Christi und der Auferbauung der Gemeinde diente, wurde als gut und richtig befunden. Ermahnt, gerügt und gemaßregelt wurde nur, wenn Falsches gepredigt oder das Abendmahl unwürdig und missverständlich gefeiert wurde oder Zwietracht, Unordnung und ethische Verfehlungen in der Gemeinde eingezogen waren. Dem zu wehren, das war die Aufgabe der Aufsicht der Gemeindeleitung, aber zugleich auch die Verantwortung der gesamten Gemeinde. Paulus ermahnt regelmäßig nicht nur die Ältesten (Presbyter), sondern immer zugleich die gesamte Gemeinde.

 

Die verschiedenen Dienstämter des Neuen Testaments mit ihren Bezeichnungen sind der Gemeinde Christi nicht als Gesetz für alle Zukunft auferlegt, sondern als Beispiel gegeben. Von Gott gewollt und geboten ist aber, dass zur Wahrnehmung des Missions- und Weideauftrages ein Dienstamt bzw. -ämter in der Gemeinde / Kirche eingesetzt sind.

 

Das Übergeordnete, Gemeinsame und Verbindende der im Neuen Testament genannten unterschiedlichen Dienstämtern ist die Verkündigung des Evangeliums. Im Blick darauf bekennt die Evangelisch-Lutherische Kirche das "e i n e  Dienstamt der Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung", unabhängig von seiner kirchenrechtlichen Bezeichnung und Funktion (Pfarrer, Pastor, Missionar, Evangelist, Prädikant, Superintendent, Propst, Bischof, Lehrer und Professor der Theologie...).

 

Detlef Löhde

 

 

1 Aus: “Ordination – mehr als eine Beauftragung?”, S. 71 – 73, Berhard Kriegbaum

 

2 Als die Presbyter (Priester) ab Ende es 2. Jahrhunderts eigene Filialgemeinden im Auftrag des Bischofs zu leiten hatten, fungierten nun die Diakone als engste Gehilfen des Bischofs. Sie hatten damit eine einflussreichere Stellung als die Presbyter gewonnen. Häufig wurde ein Diakon unmittelbar der Nachfolger seines Bischofs. So wurde z.B. nach dem Tod des Patriarchen von Alexandria im Jahre 328 sein Diakon Athanasius unmittelbar zum Nachfolger gewählt. Von den in den Jahren 432 – 684 insgesamt 37 gewählten Päpsten waren vorher nur drei Presbyter (Priester) gewesen, aus: “Der etwas andere Geistliche” von R.M.Scheule.

Später wurden die Diakone wieder Gehilfen der Priester und stellen heute in der Röm.-Kath. Kirche und den Orthodoxen Kirchen den untersten Weihegrad dar. In den Kirchen der Reformation wurde zeitweise der zweite Prediger (Pfarrer) einer Gemeinde mit “Diakonus” bezeichnet. Heute sind im evangelischen Bereich Diakone gemeindlich und übergemeindlich in der Jugend- und Sozialarbeit tätig.

Ämter im NT.pdf
Adobe Acrobat Dokument 89.5 KB
Predigt: Jesus ist unser Hoherpriester
Hebr. 4, 14-16.pdf
Adobe Acrobat Dokument 64.5 KB